Kunstrecycling am Niddaplatz

Als Gastmaler war Benjamin Burkhard dabei, ein Kunststudent aus Kandel

 

Betrachtungen zum Grötzinger Niddaplatz von einer Halbheimischen

I.
Der Grötzinger Niddaplatz war früher, in meiner Kindheit, eine Grünanlage neben einer belebten Marktstraße mit Lebensmittelladen, Sparkasse, Post, Bäckerei und Metzgerei. Sie zog die begehrlichen Blicke der Kinder auf sich, die am liebsten zu den kleinen Springbrunnenbecken gerannt wären, dort geplanscht und anschließend auf dem Rasen Fußball hätten. Aber „Betreten verboten“ stand auf Kärtchen, die in den rituell gepflegten Rasen gesteckt worden waren. Täglich zogen Mütter ihre Kinder zurück auf das Trottoir. So blieb der Platz ein Ort der reinen Anschauung. Und ich war eines der Kinder. Ganz früher war durch die belebte Marktstraße auch noch eine Schlinge der Pfinz geflossen. Die hatte man zugeschüttet. Aus Sicherheitsgründen.

II.
Irgendwann fand sich auf der Rasenfläche ein Platzhirsch ein. Das war 1991. Es war ein Gebilde aus Hölzchen und Stöckchen. Sein Schöpfer war der ortsansässige Künstler Guntram Prochaska. Aber das weiß ich nur aus Erzählungen. Ich lebte zu der Zeit woanders. Wir haben uns als Kinder hier in Grötzingen gekannt.

III.
Glücklicherweise stehen diese Schilder nicht mehr im Gras, und zwischenzeitlich fand sich Guntram Prochaskas Ensemble mit dem langen Namen „Niddas-Springbrunnen-Holzsäge-Kompositions-Platz“ ein. Es handelte sich dabei um eine große Holzskulptur, in der 1998 die Geister Grötzingens zusammen mit dem Schalk wiederauferstanden waren. Der Markgraf Kalle noch ohne Dasch stand da neben der Schlossherrin Augusta, das Jagdwild des tiefen umgebenden Waldes hoppelte durchs Bild, der Turmfalke vom nahen mittelalterlichen Kirchturm zog darüber hin und eine Erdkröte erinnerte an die Grundwassernähe des Ortes, ein paar Väter standen Kopf und über allen residierte … der Platzhirsch Jonas Jordan. Was sich dahinter wohl verbarg? Auf jeden Fall die „Stammbäume der Grötzis“, die inzwischen in aller Welt stehen und ihr Eigenleben führen.
Dieses Objekt ging den Gang alles Lebendigen und verwitterte, bekam Runzeln und Flecke, Haarausfall und Rheuma. Der Geist des Platzhirschs rief nach einem Gehstock, und die schwebeleichte Augusta konnte ihre Krone nicht mehr spüren. Das rief die Wachtmeister der allgemeinen Verkehrssicherheit in ihre Uniformen. Sie rückten aus, um über die Gehstockhilfefrage zu verhandeln.

IV.
Und nun 2010 sind zwar immer noch keine Schilder im Gras. Dafür ist aus der belebten Marktstraße ein nüchterner, schmuckloser Büro- und Praxisort geworden. Aber das alte Kunstwerk musste irgendwie „sicher“ gemacht werden. Der Zauberer der Grötzinger Stammgeister, der  kopfstehende Hexenmeister Guntram Prochaska, wusste wie: durch eine Metamorphose, eine Umgestaltung, modern gesagt ein „Kunstrecycling“. Aber das trifft es nicht ganz.
Wenn lebendige Geister weit genug entfernt in den Tiefen der Geschichte verhallen, ist es höchste Zeit, sie in Büchern zu bannen und ihre Geschichten in Legenden zu verwandeln. Sonst verklingen sie und sind nicht mehr zurückzuholen.
Guntram Prochaska hat aus seiner bejahrten Skulptur über jahrhundertgraue Gestalten ein kunterbuntes Künstlerbuch gemacht. Die vormaligen Figuren wurden einer Verjüngung unterzogen und in einer Gemeinschaftsaktion mit der Bevölkerung, auch gerade der Kinder, auf dem vormals unbetretbaren, grünen Rasen koloriert und in Form eines Hufeisens aufgestellt.
Ich spazierte so ganz absichtslos über den Platz und musste sofort hinsehen. Die ins Künstler-Buch gebannten Grötzinger Stammbäume leuchteten mir entgegen und riefen und winkten, ich solle doch mal herkommen, sie hätten was Brandneues zu erzählen. Ich tat ihnen den Gefallen und ging zu ihnen. Sie spielten gerade Kegeln und flüsterten und lachten. Einer hatte ganz aktuell einen Fußball in der Krone.
Um das Werk waren uralte Grötzinger Buntsandsteine wie ein Bannkreis gelegt. Vor dem Hufeisen lud eine Holzbank zum Sinnieren ein. Wer durch den Steinkreis drang, war in einer anderen Welt. In der Welt der Grötzinger Jahrhunderte, in einer Welt vieler Füße, Hände und Geister und des Wassers, das hier nur eine Armlänge unter allem rumort. Der umgestaltete Platzhirsch klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Ich hatte einen Janker, dessen Wolle war mit Krappwurzel gefärbt, das war ein sanftes, kräftiges Rotbraun…“ Bevor er weiterreden konnte, fiel mein Blick auf das Titelholzbrett.
Der Ort wurde von Guntram Prochaska „Niddaplatz Babbelecke unter den Engeln“ genannt.
Die Steinkreisanlage gab ihm etwas Mythisches. Das Kunterbunte die Stimmung eines Spielplatzes. Das Figürliche erinnert an eine kolorierte Buchrolle. Wer auf den etwas öden Platz kommt, muss sofort dorthin sehen. Die vielen Mitschöpfer dieser Anlage sind spürbar. So ist es vollkommen.

V.
Doch nur wenige Tage später wollte ich meinen Augen nicht trauen, als ich über den Platz kam: die Steine waren weg. Ich erkannte nur noch ihre Abdrücke im Gras. Das kann dem umgestalteten, farbenfrohen Kunstwerk zwar nicht seinen Reiz nehmen. Aber das Runde und Vollkommene der Anlage fehlt. Wie können so viele Steine plötzlich verschwinden? Ihre Geister haben es mir zugeflüstert.
Ich hoffe nur inständig, dass nicht demnächst womöglich auch noch die unseligen Schilder meiner Kindheit dazukommen.

Hanna Jüngling

Zeitschnur Verlag

Weingarten Kindergarten

Bei glühender Hitze vor dem WM Viertelfinale gegen Argentinien wurde ein Höhefeldstrolch der besonderen Art geschaffen. Die Hitze war extrem aber wir haben uns direkt danach im Baggersee die Köpfe wieder abgekühlt.

Vielen Dank an Thomas Schaller für die schönen Fotos.
seinen Fotoblog kann man hier finden

http://schaller-home.de/index.php/familie/thomas/fotoblog

Weitere Bilder finden Sie unter

http://ekiwei.de/index.php/kita/hoehefeldstrolche/1124-garteneinweihung-im-kindergarten-hoehefeldstrolche.

Kunsttag an der HWK

Im Rahmen des HWK Sommerfestes hat Guntram mit den Menchen bei der HWK ein grosses Bild gemalt und am Nachmittag dann einen Engel gesägt mit der Unterstützung live improvisierter Musik.